Vorletzte Antworten auf letzte Fragen

Das Beantworten von hintergründigen, geistreichen, wahnsinnigen oder unnützen Fragen gehört zu meinen liebsten Beschäftigungen.

Hier folgen Friedhelm Wessels gesammelte Beiträge zur Kolumne "Letzte Fragen" aus der Wochenendausgabe der taz ( die tageszeitung)


Frage: Wie mache ich jemandem den Hof? (taz vom 13.09.08)

Antwort (unveröffentlicht):

Als GaLa-Bauer: Mit Radlader und Rüttelplatte. Als Galan: Mit Komplimenten und roten Rosen.

Frage: Warum hinterlässt man eigentlich einen Nachlass? (taz vom 13.09.2008)

Antwort (veröffentlicht in der taz vom 20.09.2008):

Weil man im Tod das Leben ganz vernachlässigt hat.

Frage: Warum hat Adam (erster Mensch!) einen Bauchnabel? (taz vom 02.08.2008)

Antwort (veröffentlicht in der taz vom 09.08.2008):

Da Adam bekanntlich aus Staub gebildet wurde und keine Mutter hatte (Gen 2,7), ist die Existenz eines Bauchnabels anatomisch ausgeschlossen. Bei den kunsthistorisch bekannten Darstellungen mit Bauchnabel handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Verwechslung mit der Narbe, die vom heiklen chirurgischen Eingriff im unteren Brustraum (Rippe!) herrührt, obwohl die einschlägige Fachliteratur dem Operateur neben Kenntnissen in der Anästhesie auch Fertigkeiten in plastisch-rekonstruktiver Chirurgietechnik attestiert (Gen 2,21).

Frage: Weshalb bittet die Bahn nie um Entschuldigung, sondern um Verständnis? (taz vom 05.01.2008)

Antwort (unveröffentlicht):

Weil Verständnis von "stehen" kommt.

Frage: Wieso setzt man sich auf seine vier Buchstaben? Arsch hat doch fünf. (taz vom 14.07.2007)

Antwort (veröffentlicht in der taz vom 21.07.2007):

Früher hatte die deutsche Sprache noch po-puläre Begriffe voller Po-esie. Auch besaß man angesichts der zarten Psyche von Kindern den sprachlichen Anstand, das po-lymorphe Po-tenzial mancher menschlicher Körperteile mild umschreibend zu bedecken. Solch Feinsinnigkeit ist heute nur noch selten anzutreffen ...

Frage: Darf man sich bei verglühendem Weltraumschrott auch was wünschen? (taz vom 21.04.2007)

Antwort (unveröffentlicht):

Ja klar! Man darf nicht nur, es scheint auch zu funktionieren. Bei der letzten Schrottschnuppe hatte ich mir insgeheim gewünscht, auf allen PC liefe nur noch Linux und Bill Gates möge sich doch auf eine erdnahe Umlaufbahn begeben. Und tatsächlich - es sieht so aus, als ob zumindest das Letztere tatsächlich wahr werden sollte. Oops - jetzt habe ich den Wunsch ausgeplaudert! Tut mir Leid, Herr Gates, dann kann ja aus Ihrem geplanten Weltraumausflug wohl nichts mehr werden.

Frage: Warum hat das Übel eine Wurzel, aber keine Stiele und Blätter? (taz vom 09.09.2006)

Antwort (veröffentlicht in der taz vom 16.09.2006):

Die Frage ist falsch gestellt. Sehr wohl hat das Übel Stiele und Blätter, mitunter sogar Stamm, Äste und Zweige. Weil ihm aber nur radikal (sic!) beizukommen ist, hat der zu weiser Schlichtheit neigende Sprachgeist auf die Darstellung von schmückendem Bei- und Blattwerk verzichtet. Damit zeigt er sich unbeeindruckt von äußerer Schönheit und Pracht, unter der sich der schlimme Kern des Bösen besonders gerne verbirgt.

Frage: Warum ist das Wandern des Müllers Lust? (taz vom 10.06.2006)

Antwort (unveröffentlicht):

Die Lust des Müllers hat folgende individuelle, betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Voraussetzungen:

  1. der Müller arbeitet nicht unter spätkapitalistisch-prekären Arbeitsbedingungen, sondern findet in seiner Tätigkeit reiche Anregung für die Gestaltung der Freizeit (Strophe 1)
  2. der Müller ist infolge ganzheitlicher Bildungskonzepte lernfähig (Strophe 2)
  3. trotz fortgeschrittener Automatisierung (Strophe 3) und leistungsmaximierender Maschinenlaufzeiten (Strophe 4) bleibt das Betriebsklima munter (ebd.)
  4. der Lohn eines abhängig beschäftigten Müllers reicht aus, um jederzeit das Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen ("Lebensqualität") aufzugeben (Strophe 5)
  5. das Management der Mühle würdigt nachhaltig die außerbetrieblichen Bedürfnisse der Belegschaft und unterstützt Maßnahmen zur friedlichen Selbstverwirklichung (ebd.)

Frage: Wie stellt man auf einer Sonnenuhr die Zeit um? (taz vom 06.11.2005)

Antwort (veröffentlicht in der taz vom 17.12.2005):

Sonnenuhrbesitzer aufgepasst: Ein zukunftweisendes Projekt der NASA zur Korrektur der Erdachsenneigung verspricht eine radikale globale Lösung des Problems. Auf der kostenintensiven Suche nach dem festen Punkt, von dem aus man die Erde aus den Angeln heben könnte bittet die amerikanische Raumfahrtbehörde weltweit um Spenden auf das Konto Nr. 42 bei der Solid Equatorial Bank.

Frage: Warum kann man nicht alles haben? (taz vom 04.06.2005)

Antwort (veröffentlicht in der taz vom 18.06.2005):

Wenn man alles hätte, wäre man wunschlos. Dann fehlte einem also ein Wunsch. Wenn einem aber ein Wunsch fehlt, hat man nicht alles.

Frage: Gibt es keinen schöneren Silvesterwunsch als "Guten Rutsch"? (taz vom 24.12.2004)

Antwort (unveröffentlicht):

Nein! Denn er ist völlig witterungsunabhängig, multifunktional und dient dem interreligiösen Dialog. Der Wunsch nach einem "guten Rutsch" hat nämlich überhaupt nichts mit einem möglichst sanften Übergang vom Silvester- in den Neujahrstag zu tun - auch nicht angesichts mittel- und nordeuropäischer winterlicher Verhältnisse (die sowieso unter den Bedingungen des rapiden Klimawandels ihre Bedeutung zu verlieren drohen) oder des Alkoholisierungsgrades der Feiernden.
Es handelt sich bei diesem Ausdruck tatsächlich um eine Verballhornung des gut jiddischen Wunsches nach einem guten Neuen Jahr: "a gut rosch". "Rosch" ist die Kurzbezeichnung des jüdischen Neujahrsfestes, hebräisch: "rosch haschanah" ("Beginn des Jahres"). Das hebräische Wort ist dann im Laufe der Zeit zu dem lautlich naheliegenden deutschen Wort "Rutsch" assimiliert und so ist es in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Einen "guten Rutsch" kann man also sowohl im christlichen, als auch im jüdischen Festkalender wünschen, wo der Tag am 1. Tischri (September/Oktober) gefeiert wird.

Einen "guten Rutsch" wünscht: Friedhelm Wessel

Frage: Wieso wird nur "Mathematik" auf der letzten Silbe betont (und alle anderen Worte auf "ik" nicht)? (taz vom 20.11.2004)

Antwort (unveröffentlicht und hier leicht überarbeitet):

Das ist eine überaus diffizile Thematik, die nur unter Beobachtung feinster Dialektik angegangen werden kann! Nach neuester Diagnostik aus der Linguistik, der Phonetik und Semantik und unter Verwendung umfangreicher Forschungsergebnisse aus der Empirik sind für dieses Phänomen sehr wahrscheinlich Seiteneffekte aus der Musik und Physik anzunehmen. Nach einer Presseverlautbarung des Deutschen Bundestages will auch die Politik (wie immer!) auf diese Entwicklung erheblichen Einfluss gehabt haben. Und auch der oberste Katholik steuert dazu ein geradezu unfehlbares Urteil bei. Die Mathematik - auf solche Art eines Teils ihrer privilegierten Ästhetik beraubt - windet sich darob in heftigster Kolik.