Rainer Maria Rilke
- ein Mystiker
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Nirgends, Geliebte, wird Welt sein als innen.
Unser Leben geht hin mit Verwandlung.
Und immer geringer schwindet das Außen.
Wo einmal ein dauerndes Haus war, schlägt sich erdachtes Gebild vor, quer,
zu Erdenklichem völlig gehörig, als ständ es noch ganz im Gehirne.
Weite Speicher der Kraft schafft sich der Zeitgeist, gestaltlos wie der spannende Drang, den er aus allem gewinnt.
Tempel kennt er nicht mehr. Diese, des Herzens, Verschwendung sparen wir heimlicher ein.
Ja, wo noch eins übersteht, ein einst gebetetes Ding, ein gedientes, geknietes -,
hält es sich, so wie es ist, schon ins Unsichtbare hin.
Viele gewahrens nicht mehr,
doch ohne den Vorteil,
daß sie's nun innerlich baun,
mit Pfeilern und Statuen, größer!
aus der 7. Duineser Elegie
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Rainer Maria Rilke ist der wortmächtige Vermittler zwischen den Dingen und dem Sein und auf diese Weise ein Mystiker. So gehört er auf diese Seiten, die sich wesentlich mit dem mystischen Wort beschäftigen.
Rilkes Dichtung bringt immer neu die tiefsten Dimensionen des menschlichen Seins zum Ausdruck. Vieles in seinem Werk ist auf eine ganz eigene Art religiös. Seine Religion ist jedoch nicht institutionalisiert oder explizit einer bestimmten (christlichen) Tradition verhaftet. Sie ist vielmehr äußerst ideologiefern, indem sie unmittelbar in der Persönlichkeit des fühlenden und schauenden Subjekts erfahrbar wird. Dabei entstammen viele Bilder Rilkes scharfer Beobachtung der erscheinenden Welt (z. B. die sogenannten "Ding-Gedichte"). Niemals aber bleibt er bei der empirischen Ebene stehen, sondern geht den natürlichen Dingen auf den tiefsten Grund. Darin äußert sich wesentlich seine (wie jede) Mystik.
Das vielleicht aussagekräftigste Beispiel für Rilkes Verständnis von Religion findet man in der hier zitierten Passage aus der 7. Duineser Elegie. Zum Schluss besingt Rilke das Hohelied der Vergeistigung jeglicher materiellen religiösen Gestalt: In dieser Religion des Herzens gibt es keinen Tempel und keine Kirche mehr, keine Opfer und keine Kniefälle, dafür aber die Gewissheit, dass die inneren Pfeiler und Statuen größer und mächtiger sind, als alle äußeren es jemals haben sein können.
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Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem?
Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt
Berge ruhn, von Sternen überprächtigt;
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.
Aus dem Nachlass des Grafen C. W. (Nachlass)
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Rilke treffen in Wort und Klang
Ich begegnete Rilkes Dichtung persönlich auf ganz "zufällige" Weise im Sommer 2000. Auf Gut Böckel in Ostwestfalen, wo Rilke im Sommer 1917 einige Wochen zu Gast war bei Hertha Koenig, fand eine Lesung seiner Duineser Elegien mit der Schauspielerin Erika Pluhar statt. Am musikalischen Rahmen dieser Veranstaltung konnte ich als Mitglied des Aachener Kammerchors carmina mundi aktiv teilhaben.
Es war damals ein äußerst warmer, sonnendurchfluteter, friedlicher, ruhiger Abend voller Stimmungen, zu denen die Umgebung des alten Gutes mit seinen etwas morbiden, breiten Gebäuden und Wassergräben und dem großen, alten Park ganz wesentlich beitrug.
Seitdem hat mich die Dichtung Rilkes nicht mehr losgelassen. Ich war dann überrascht, als Rilke gleichzeitig auch in der breiten kulturellen Öffentlichkeit eine größere Rolle zu spielen begann. Nicht zuletzt gehören dazu die Veröffentlichung der CDs Rilke Projekt, "Bis an alle Sterne", "In meinem wilden Herzen" und "Überfließende Himmel".
Auch im Internet gibt es inzwischen zahlreiche Seiten zu Rilkes Werk, von denen ich hier nur die wunderbaren Seiten http://www.rilke.de nennen will.
Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch Joachim-Ernst Berendts Buch Kraft aus der Stille. Vom Wachsen des Bewußtseins (München 2003). Der große Deuter des Jazz und wesentliche Wegbereiter der Weltmusikbewegung widmet in seinem letzten Werk das erste Kapitel Rainer Maria Rilke: "Wolle die Wandlung! Rainer Maria Rilke und das neue Bewußtsein" (S. 31-64).
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